Arme Schweine im Glaubenskrieg

Veröffentlicht auf von Radio Sonnenschein

Wer zu den Schweinen will in Kairos Müllviertel, der muss zuerst an den Hunden vorbei. Überall Berge von Abfall, ein beißender, fauliger Geruch liegt in der Luft.

Wir sind in Mukattam am Rande der Stadt, hier leben hauptsächlich christliche Kopten und sie leben in dem, was Kairo tagtäglich an Dreck zurücklässt. Ein Mann heißt uns willkommen in seinem Viertel, hier - so ruft er - seien sie doch ohnehin schon längst alle tot.

Bewohner verstecken ihre Schweine

MukattamViele Müllsammler von Mukattam sind gleichzeitig Schweinezüchter, aber auf den Straßen finden wir in diesen Tagen nur Ziegen. Weil die Regierung die Schweine schlachten lässt, verstecken die Bewohner von Mukattam sie - nicht selten bei sich zuhause.

Und dann lässt uns doch ein Müllsammler in sein Haus. Alle hier haben Angst vor der Regierung. Seinen Namen will er uns nicht sagen, seine Schweine hat er im Hinterhof versteckt. Die Schweine, das sind in Mukattam die Lebensversicherung für eine koptische Familie. Dass sie die jetzt weggeben sollen, ist für die Menschen hier eine Katastrophe.

"Am Anfang bot uns die Regierung noch umgerechnet 40 Euro für ein Schwein, jetzt sind es noch nicht mal zehn. Das ganze ist schlecht für uns, aber auch schlecht für das ganze Land."

Gerne würden wir im Schlachthaus von Kairo drehen, aber Ägyptens radikaler Kampf gegen die sogenannte Schweinegrippe geschieht hinter dicken Eisentoren.

Zwangsschlachtungen werden angeordnet

Wir treffen Johann Christ, er, der ursprünglich aus Bayern kommt, ist der einzige deutsche Metzger am Nil. Er versorgt die Christen im Land mit guter deutscher Wurst und mit Aufschnitt. Von sauberen Schweinen, die nicht im Müllviertel leben.

Für ihn ist die Entscheidung der ägyptischen Regierung eine sinnlose Vernichtung von Lebensmitteln: "Schweinefleisch ist lebensnotwendig für bestimmte Gruppierungen hier. Dass man das jetzt vernichtet, ist doch nicht richtig."

Für uns stellt sich Johann Christ in seinen Laden, macht Käsegreinerl. Dabei hat er diese Woche gar keine Aufträge. Gegen jede Logik heißt es in Ägypten, alle Schweine würden Krankheiten verbreiten.

Obwohl das natürlich falsch ist, wird selbst die treueste Kundschaft irgendwann misstrauisch. Und bald also soll es gar kein Schweinefleisch mehr geben. "Ohne Schweinefleisch kann ich den Laden dichtmachen. Ich bin der einzige deutsche Metzger. Ohne Schweine: Auf Wiedersehen."

Kopten fürchten Repressalien

Koptische Christen Es geht in dieser Geschichte natürlich auch um den so mächtigen Islam und darum, wie er umgeht mit der christlichen Minderheit, wie etwa den Kopten in Mukattam.

Oben über dem Viertel sitzen die religiösen Führer der Kopten und blicken hinab auf den Müll, den sie so gern verlassen würden, so sagen sie zumindest. Früher waren selbst auf den Dächern Schweine zu sehen, und natürlich glauben die Kopten jetzt, dass mit ihren Tieren auch sie selbst vertrieben werden sollen.

Aber selbst Abuna Saman, das Oberhaupt der Kopten, will sich nur vorsichtig äußern in diesen Tagen: "Die Kopten hier arbeiten sich zu Tode, sie stehlen nicht, sie sind nicht kriminell. Sie machen mit dem Müll und dem Schweinezüchten eine ehrenvolle Aufgabe."

Aber für den Islam sind Schweine alles andere als ehrenvoll und so müssen die Menschen in Mukattam die Staatspolizei fürchten. Wer gegen das Zwangsschlachten aufbegehrt, der wird ins Gefängnis geworfen, mindestens 15 Tage.

Eine Frau führt uns dennoch in ihr Haus und zu ihren Schweinen, ganz hinten im Müll. Auch sie braucht die Tiere, aber auch sie wird sie abgeben müssen. "Wir hatten mal fast 300 Schweine, die haben sie alle mitgenommen, mit Gewalt. Die sind doch der einziger Lebensverdienst für mich und meine Kinder."

Johann Christ ist mittlerweile bei seinem Schweinezüchter, auch der verbirgt seine Tiere in diesen Tagen. Aber wie lange geht das noch? Bislang gibt es keine Anzeichen, dass das islamische Ägypten die Schweine der Christen doch noch am Leben lässt.

Gottesdienst in der FelsenhöhleNoch einmal steigen wir auf den Berg über Mukattam. Die Kopten versammeln sich zum Gottesdienst, drinnen in der gigantischen Felsenhöhle predigt Abuna Samaan über das Zusammenleben mit dem Islam und über das Leben seiner christlichen Minderheit. Die Schweine wird er vorsichtshalber nicht erwähnen, der ägyptische Staat hört womöglich auch hier zu.

In Kairo ist es Abend geworden, die Lichter der Moscheen beleuchten die Stadt. Dort hinten, wo es dunkler wird, liegt Mukattam, demnächst wohl bekannt als das Viertel der toten Schweine.

(Quelle: ARD Kairo/picasa/werg)

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