Zerstörung einer Idylle

Veröffentlicht auf von Radio Sonnenschein

Bewohner wehren sich

KursayaDie Insel Kursaya liegt vor den Toren von Kairo – mitten im Nil. Eine Fähre bringt Bewohner und Besucher an der engsten Stelle hinüber und zurück. Rund fünftausend Menschen leben hier, in der Hauptsache Bauern und Fischer. Ein Stück Land wurde gerade frisch aufgeschüttet, Militär hält das Eiland seit Wochen besetzt.

Sie kamen ohne Vorankündigung, und forderten die Bewohner auf, ihre Häuser zu verlassen. Zur Begründung hieß es, sie seien illegal hier. Die meisten Familien leben aber schon seit Generationen auf Kursaya.

Einer der Anführer des Widerstandes ist der Arzt Mohamed Mustafa. Er hat auf der Insel ein Haus gebaut, seine Kinder sind hier aufgewachsen. Die Menschen vertrauen ihm, er behandelt sie regelmäßig umsonst. Auf dem Laptop zeigt er uns Bilder, wie sein Grundstück plötzlich besetzt wurde. Die Amateuraufnahmen zeigen, wie sich die Bewohner zu wehren begannen. Denn alle sind betroffen, obwohl sie eigentlich nach ägyptischem Recht nach fünfzehn Jahren Eigentumsansprüche auf das Land hätten. Auch Frauen und Kinder stellten sich den Soldaten in den Weg – die zogen sich dann auf unbewohnten Grund zurück.
"Meine Tochter war mit den kleinen Kindern allein im Garten, als das Schiff, vollgeladen mit Soldaten, ankam", erzählt der 62-jährige Chirurg. "Sie waren schwer bewaffnet, mit Gewehren und Maschinenpistolen. Sie sind aufmarschiert und haben mein Land mit gezücktem Bajonett gestürmt."

Lieber sterbe ich für mein Haus

Fischer flicken NetzeSchon der Großvater des Fischers Amr Ali hat in diesem Nilarm Barsche und Karpfen gefangen. Heute ist die Ausbeute mager, manchmal sind es vier bis fünf Kilo. Die Kundschaft kommt aus der Stadt. Die Frauen spülen das Geschirr, während sie auf die Rückkehr der Männer warten, die meist schon bei Sonnenaufgang aufbrechen. Wenn der Ertrag gering ist, fahren sie am Nachmittag nochmals hinaus. Einziger Gesprächsstoff beim Netzflicken ist der Versuch des Staates, die Einwohner zu enteignen. Keiner will nachgeben. "Ich werde hier niemals weggehen", erklärt uns Amr. "Lieber sterbe ich für mein Haus. So denken wir alle auf der Insel."

Wie der Arzt Mohamed Mustafa sind sie alle gläubige Menschen auf der Insel Kursaya. Umso weniger können sie verstehen, was ihnen gerade passiert. Und dass die Arbeiten des Militärs ohne Erklärung weitergehen.

Nein zu Investoren

DemonstrationAuch den Bauern Maher Ibrahim hat es getroffen. Er ist auf der Insel geboren, jetzt wurde er von einem Militärgericht enteignet, musste eine Abtretungsurkunde unterschreiben. Wie viele andere glaubt auch er an das Gerücht, dass auf der Insel Hotels und Parks geplant seien. Finanziert mit Geld aus Saudi-Arabien. Und unterstützt von der eigenen Regierung. "Als wir unterschrieben hatten, kamen die Streitkräfte zurück, um uns die Häuser wegzunehmen", erzählt Maher Ibrahim. "Aber wir haben uns alle versammelt, und waren bereit, sie in den Fluss zu werfen. Sie haben sich dann zurückgezogen. Wir werden unser Land niemals verlassen." Mitten in den Feldern demonstrieren die Menschen von Kursaya dafür, dass sie bleiben dürfen. Auf ihren Plakaten steht "Nein zu Investoren, keine Geldmacherei".

Die Hintermänner bleiben im Dunkeln

BaggerWir sind im Atelier von Mohamed Abla, dem anderen Wortführer der rebellischen Inselbewohner. Er ist ein bekannter Maler, in letzter Zeit tauchen auf seinen Bildern verstärkt Polizisten und Soldaten als Motive auf. Er lebt seit zwölf Jahren auf der Insel. "Sehen sie, hier habe ich einen Bagger gemalt, und hier einen Soldaten", erklärt er seine jüngsten Bilder. Weil die Menschen überfordert waren, regelrecht verloren, hat er sich entschlossen ihnen gegen die, wie er sagt, Mischung aus Korruption und Politik zu helfen.
"Kapital und Investoren bestimmen bei uns die Politik", meint der 54-jährige. Manche Leute vermuten einen saudi-arabischen Prinzen hinter allem, andere glauben sogar, dass die Familie Mubarak mit von der Partie ist. Doch offizielle Auskünfte gibt es bisher keine – die Hintermänner bleiben im Dunkeln, die Bagger machen weiter.
Der Widerstand der Leute von Kursaya ist ungebrochen. Ihr Vertrauen in Staat und Militär aber, das haben sie wohl für immer verloren.


(Quelle: ard/Patrick Leclercq)

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