Der Kampf gegen die Taliban

Veröffentlicht auf von Radio Sonnenschein

Zivilisten fliehen aus dem Swat-Tal Freitagmorgen in Mingora im Swat-Tal, Zum ersten Mal seit Beginn der Militäroffensive hat die Armee die Ausgangssperre aufgehoben. Tausende Menschen versuchen aus der umkämpften Talibanhochburg zu fliehen. Seit Tagen verschanzen sich Kämpfer in der Stadt. Jede Nacht gibt es heftige Gefechte, die Trümmer einer Polizeistation. In diesem Privathaus im Stadtzentrum versuchen Ärzte, die Verletzten notdürftig zu versorgen. Sie haben ein paar Kisten Verbandsmaterial hergebracht, doch das reicht längst nicht für alle, es fehlt an Medikamenten, auch an Schmerzmitteln für die verletzten Kinder. Nebenan haben die Nachbarn die Toten der vergangenen Nacht aufgebahrt, Ganze Familien sind in das Kreuzfeuer zwischen Armee und Taliban geraten, die Überlebenden müssen sich beeilen, ihre Angehörigen zu begraben, in ein paar Stunden gilt wieder Ausgangssperre. Am Busbahnhof kämpfen Hunderte um einen Platz in einem der wenigen Busse, hier gilt längst das Recht des Stärkeren, Familien werden auseinandergerissen. Verzweifelt machen sich viele Menschen zu Fuss auf den Weg aus dem Kampfgebiet. Sie haben es nicht geschafft zu fliehen, solange die Ausgangssperre aufgehoben war: Haji Mohammed Khan ist aus einem Vorort der Stadt zu Bekannten gekommen, er hat Angst vor dem nächsten Angriff, so wie alle anderen in der Stadt auch: „"Armee und Taliban spielen doch immer wieder das gleiche, grausame Spiel mit uns, es ist eine Katastrophe wir einfachen Leute sind die Leidtragenden, ganze Familien sind getötet worden, es ist eine Katastrophe für die ganze Stadt und für Pakistan, bitte hört auf uns anzugreifen, sagt er später."

Feiern bei der Einführung der SchariaRückblick, Mingora vor drei Wochen. Damals drängten sich Tausende in den Straßen. Die Menschen feierten die offizielle Einführung der Scharia, des islamischen Rechtes in Ihrer Heimat. Auch der Kaufmann Sher Khan war voller Hoffnung, so wie viele andere auch. „Mit der Scharia, so haben sie uns versprochen, soll es jetzt mehr Gerechtigkeit geben. Im alten System haben wir kein Recht bekommen. Wer Geld hatte, konnte die Richter bestechen und seiner Strafe entgehen, wer keines hatte, wurde oft verurteilt, das soll mit dem neuen Rechtssystem jetzt alles anders werden." Im Swat-Tal versammelten sich fast 20 000 Menschen, auf einer Bühne beteten die Mullahs der Region, viele von ihnen gelten als Taliban-Anhänger: Für die Scharia sollten die selbsternannten Gotteskrieger die Waffen niederlegen, so sah es der Vertrag mit der Regierung vor. Doch in ihren Reden verurteilten die radikalen Islamisten, die Demokratie als unislamisch: sie feierten einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Gottesstaat. So wie viele Einwohner des Swat-Tals hoffte auch Shehr Khan damals auf Frieden in seiner geschundenen Heimat: Seit Jahren, morden die Taliban bei Anschlägen und Überfällen, immer wieder schlägt das Militär zurück, immer wieder wird verhandelt und immer wieder werden Friedensverträge gebrochen. Die Einwohner sind die Leid tragenden dieser Schaukelpolitik. Shehr Khan ist kein radikaler Islamist. Er will mit seinem kleinen Laden die Familie ernähren, dafür braucht er Frieden. Und Der wachsenden Einfluss der Taliban, war für ihn, wie für viele andere, das kleinere Übel. „"Wir sehen doch schon jetzt, wie alles besser wird, solange wir Frieden haben ist das doch auch gut für unsere Wirtschaft, auch mein Geschäft läuft jetzt langsam immer besser."

TalibanAuf dem Weg zum Sprecher der Taliban im Swat-Tal, Kurz nach den Jubelfeiern im April. Eine halsbrecherische Reise in den Bergen bei Mingora. Im Hauptquartier der Taliban, schon vor drei Wochen liess ihr Sprecher keinen Zweifel daran: Die Taliban wollten nie die Waffen im SWAT- Tal niederlegen, anders als vereinbart. Sie streben nach der Macht - in einer ganzen Region: "Unsere Schlachtfelder unterscheiden sich, doch unsere Mission ist die gleiche. Es spielt doch keine Rolle, ob ein Taliban aus Afghanistan, aus den Stammesgebieten oder aus dem SWAT- Tal kommt. Wo immer der Heilige Krieg für das Gesetz unseres Gottes geführt werden muss, die Taliban werden da sein und sie werden kämpfen.“ Und ein paar Tage später zeigten die Taliban, wie ernst diese Drohungen gemeint waren. Sie drangen in Nachbardistrikte vor, errichteten illegale Checkpoints, hier verdeckt gedrehte Aufnahmen. Frauen durften sich nicht mehr öffentlich zeigen, Regierungsvertreter wurden eingeschüchtert und ermordet. So haben die Taliban schon viele Gegenden im Nordwesten Pakistans unter ihre Kontrolle gebracht. Auch diesmal rekrutierten sie wieder junge Männer, für viele eine Chance darauf, irgendwie Geld zu verdienen. Über fast 5000 Kämpfer sollen die Taliban in der Region inzwischen verfügen.

Pakistanische ArmeeIn einer der größten Militäroperationen der vergangenen Jahre rückt die Armee seit Tagen in der gesamten Region gegen die Aufständischen vor, Fast 15 000 Soldaten sollen im Einsatz sein. Hunderte Aufständische wollen die Truppen schon getötet haben, mit Kampfhubschraubern attackieren sie auch die Stellungen der Taliban in den Bergen. Sowie hier in Mardan südlich des Kampfgebietes drängen jeden Tag Tausende Flüchtlinge in die eilig errichteten Lager, Verzweifelt ringen die Menschen um ein wenig zu essen für ihre Familien. Syed Rahman ist mit seinen sechs Kindern aus Mingora im Swat-Tal hierher geflohen, und er ist froh, dass seine Familie die Kämpfe überlebt haben. "Die Kinder haben sich sehr gefürchtet, das Maschinengewehrfeuer war so laut, dass wir ihnen die Ohren zu halten mussten. Auf unserem Weg sind wir unter Feuer gekommen, sie nehmen keine Rücksicht auf Familien, ein Glück dass wir es jetzt hierher geschafft haben." Über eine halbe Million Menschen seien inzwischen auf der Flucht, so schätzen die Vereinten Nationen und die Armee hat angekündigt, solange zu kämpfen, bis die Taliban besiegt sind. Das haben die Flüchtlinge schon öfter aus Islamabad gehört. Sie wissen, dass die Regierung ihre Heimat den Nordwesten Pakistans, seit Jahrzehnten vernachlässigt, für einen dauerhaften Frieden so sagen sie, werde es mehr brauchen als Panzer und Soldaten.


(Quelle: ws/swr/werg)

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